3.2. Daten und Metadaten#
Im letzten Abschnitt zur Materialrecherche wurde deutlich, dass die adäquate Beschreibung von verzeichneten Objekten wichtig ist, um diese in digitalen Katalogen, Datensammlungen oder Datenbanken auffinden zu können. Diese Beschreibung erfolgt in Form von Metadaten. Im Allgemeinen werden Metadaten als “Daten über Daten” definiert. Metadaten sind dabei durch einzelne Felder mit Informationen über Objekte wie z.B. Ersteller:in, Erstelldatum, Medium, Format o.ä. strukturiert. [Drucker, 2021] In unserer Fallstudie können als Daten bzw. Ressourcen die Filme des Filmarchivs der Filmuniversität gesehen werden, die Metadaten sind die zugehörigen filmografischen Angaben (z.B. Titel, Jahr, beteiligte Personen, Länge etc.) zu den Filmen.
Metadaten
Es werden verschiedene Arten von Metadaten unterschieden:
beschreibende Metadaten (z.B. Titel, Datum, Schlagwörter)
administrative Metadaten (z.B. Daten zur Herkunft oder Archivierung)
technische Metadaten (z.B. mit welchen Programmen können Daten angezeigt oder genutzt werden)
Dies sind nur einige häufig auftretende Formen von Metadaten, weitere sind möglich.
Wichtig im Rahmen unserer Fallstudie sind die beschreibenden Metadaten [Bohn, 2018], da diese die ‘filmografischen’ Daten darstellen, die für die Auswertung des Filmbestands des Archivs der Filmuniversität grundlegend sind. Anhand der filmografischen Angaben kann z.B. bestimmt werden, wie viele Filme in einem bestimmtem Jahr entstanden sind, es können die Schlag- und Stichworte hinsichtlich wiederkehrender Themen untersucht werden oder Filme nach Projektarten (z.B. Übungsfilme, Diplomfilme etc.) gruppiert werden. Filmografische Informationen ermöglichen zudem, Teilkorpora nach bestimmten Kriterien wie Gattung oder Entstehungsjahr zu bilden. Diese Teilkorpora können dann genauer analysiert werden. Dabei muss im Auge behalten werden, dass die Metadaten zu den studentischen Filmen nicht immer vollständig sind, also etwa Informationen zur Gattungszugehörigkeit fehlen können.
3.2.1. Klassifikationssysteme und Ontologien#
Metadaten sind dabei eng mit Klassifikationssystemen und Standards verbunden. [Drucker, 2021] Nur durch diese werden eine eindeutige Identifizierung und eine effektive Suche nach den zugehörigen Daten ermöglicht. Solche Standards können institutionsübergreifend z.B. durch eine Normdatei gesetzt werden. Dies ist “ein Verzeichnis von normierten Begriffen, die zur Beschreibung von Dingen und Sachverhalten eingesetzt werden”. [Sprau et al., 2025] Solche Begriffe können Namen von Personen, Orte, Bezeichnungen von Gegenständen oder auch abstrakte Begriffe sein. Ziel ist es, ein Objekt mit diesen Begriffen möglichst exakt und eindeutig zu beschreiben, indem einheitliche Schreibweisen und bevorzugte Benennungen festgelegt und auftretende Varianten einem Oberbegriff zugeordnet werden. Dadurch können auch Beziehungen zwischen Objekten gut abgebildet werden, z.B. die Beteiligung der selben Person, die in der Normdatei erfasst ist.
Im deutschsprachigen Raum hat sich hierfür die Gemeinsame Normdatei (GND) etabliert, die von der Deutschen Nationalbibliothek koordiniert wird. Indem die Standards der GND von Archiven bei der Katalogisierung verwendet werden, können Bestände verschiedener Archive miteinander vernetzt werden. Auch für die Erschließung von Filmen eignen sich Normdaten. Allerdings sind in der GND bisher nur wenige Filmwerke erfasst. Anna Bohn und Daniela Tamm weisen auf die Potenziale der Verwendung der GND in Archiven hin. Varianten von Filmen können besser identifiziert und unterschiedlichste Materialien (z.B. zur Entstehung, Aufführung, Überlieferung) über einzelne Archive hinweg in Beziehung gesetzt werden. Dadurch ergibt sich eine verbesserte Sichtbarkeit der Bestände. Dementsprechend plädieren sie auch für einen Ausbau der Normdaten zu Filmwerken in der GND. [Bohn and Tamm, 2023]
Als Klassifikationssystem, oft auf lokaler Ebene eines bestimmten Projekts oder einer Institution, fungiert auch ein kontrolliertes Vokabular. Es gibt Begriffe vor, die zur Beschreibung eines Objekts verwendet werden können und vereinheitlichen diese damit, um Mehrdeutigkeiten möglichst zu verhindern. Ein kontrolliertes Vokabular kommt etwa bei der Vergabe von Schlagworten zum Einsatz, mit denen u.a. Inhalte oder Themen von Filmen charakterisiert werden und die eine gezielte Suche nach diesen gewährleisten sollen. Für die Beschreibung von Daten werden auch Ontologien verwendet, die als Wissensmodelle gesehen werden können. [Drucker, 2021] Neben den Begriffen wird in einer Ontologie auch die Beziehung der Begriffe untereinander abgebildet, also erfasst, wo ein Element in einem Schema in Beziehung zu anderen Elementen angesiedelt ist.
Achtung
Es ist wichtig zu beachten, dass Metadaten nie “neutral” oder “objektiv” sind - auch wenn dies auf den ersten Blick so scheinen mag. Metadaten spiegeln immer auch Wertvorstellungen und Weltsichten wider, indem z.B. bestimmte Begriffe oder Elemente in Metadaten aufgenommen werden, andere dagegen ausgeschlossen sind. [Drucker, 2021]
Diese Wertvorstellungen und Weltsichten können sich ändern - und damit die Struktur und das System von Metadaten, auch wenn dies mit größeren Herausforderungen, Komplikationen und komplexen Prozessen verbunden ist. [Junginger and Dörk, 2021] Kerstin Herlt und Julia Welter stellen dar, wie in Metadaten von kulturellen Institutionen beleidigende, diskriminierende Sprache und Stereotype verwendet werden, z.B. in Beschreibungen von Inhalten. Diese Metadaten sind häufig vor längerer Zeit entstanden und wurden bisher nicht korrigiert. Sie gehen auf die Arbeit einer Arbeitsgruppe ein, die nach Möglichkeiten sucht, wie diese Metadaten überarbeitet werden können. [Herlt and Welter, 2025]
Ein Beispiel für die Bedeutung von Metadaten in der filmhistorischen Forschung liefern Sarah-Mai Dang und Pauline Junginger. [Dang and Junginger, 2024] Sie vollziehen in ihrem Artikel nach, welche Berufsbezeichnungen für Lotte Reiniger in verschiedenen Datenbanken erfasst sind. Wichtig ist dies nicht zuletzt deshalb, da mit der Art der Berufsbezeichnung Aussagen über den soziale Status einer Person verbunden sind. Aus ihren Recherchen ergibt sich, dass filmhistorische Datenbanken in Bezug auf ihre Metadaten nicht eindeutig, kohärent oder neutral sind. Betrachtet wurden u.a. die Einträge zu Reiniger bei filmportal.de und dem Women Film Pioneers Project WFFP. Einfluss auf die aufgeführte Berufsbezeichnung hat dabei z.B. die Art des verwendeten kontrollierten Vokabulars bei filmportal.de, das bestimmte Bezeichnungen ausschließt. Viele Informationen beim WFFP sind im Fließtext vorhanden und die Suche funktioniert über eine bestimmte Liste an Schlagworten.
3.2.2. Rolle des Kontextes#
Neben der Heterogenität von Metadaten wird durch diese Analyse deutlich, dass für eine adäquate Einschätzung der Metadaten aus filmhistorischen Datenbanken auch ein fundiertes Wissen über die zugrundeliegenden Prinzipien, den Aufbau und die Entstehung dieser Datenbanken notwendig ist. Metadaten müssen somit immer auch kontextualisiert werden, nur so können implizit vorhandene Weltanschauungen und Wertesysteme erkannt und hinterfragt werden. Nicht zuletzt können Metadaten selbst als Quelle dienen, etwa in Form der Erfassung der historischen Zusammenhänge ihrer Entstehung. Darauf weisen ebenfalls Sarah-Mai Dang und Pauline Junginger hin: Aus Metadaten kann erschlossen werden, was zu bestimmten Zeiten überhaupt für die Erfassung als relevant angesehen wurde. [Dang and Junginger, 2024]
In ihrer kritischen Auseinandersetzung mit dem Konzept der Datenbereinigung gehen Alexandra Schneider und Yvonne Zimmermann ebenfalls auf die Rolle des Kontextes von Daten ein. [Schneider and Zimmermann, 2025] Sie führen aus, dass durch die “Bereinigung”, also der Standarisierung von Daten um diese maschinenlesbar zu machen, deren Heterogenität verloren geht. Verschiedene Schreibweisen von Namen oder Filmtiteln werden zugunsten einer vereinheitlichten Variante eliminiert. Dadurch können jedoch wichtige Informationen verloren gehen, wie z.B. die bewusste Anpassung der Schreibweise von Namen, um diese in einer anderen, lokalen Sprache besser aussprechbar zu machen. Es kann also sinnvoll sein, Daten lokal zu denken, solche heterogenen Schreibweisen zu erhalten und damit den Kontext erfassbar zu machen. Fehler bleiben erhalten, da sie als Spuren für die Datenauswertung relevant sind. Nicht zuletzt können dadurch Machtverhältnisse herausgefordert werden: Indem z.B. unterschiedlichste Verleihtitel aus zahlreichen Ländern sichtbar bleiben wird die Vormachtstellung des US-amerikanischen Titels herausgefordert, der oft als einziger in Datenbanken zu filmografischen Angaben aufgeführt ist.
3.2.3. Fazit#
Metadaten aus Datenbanken - etwa in Form von filmografischen Angaben - sind für die filmhistorische Forschung wichtig. Dabei muss im Blick behalten werden, dass Metadaten nie als “neutral” oder “objektiv” angesehen werden können, sondern ihnen vielmehr Perspektiven, Werte und Weltvorstellungen eingeschrieben sind. Die verwendeten Metadaten müssen sorgfältig kontextualisiert werden: Wie, wann und von wem wurden sie unter welchen Vorgaben und technischen Voraussetzungen erfasst?
Dies gilt insbesondere auch für die filmografischen Angaben zu studentischen Filmproduktionen im OPAC der Filmuniversität. Wer als verantwortliche Person für einen Film genannt wird, welche Gewerke beteiligt waren, welche Lehrenden als Beratung aufgeführt sind und wer gegebenenfalls auch nicht als beteiligte Person in den Metadaten erfasst wird, kann politische und historische Gründe haben, denen nachgegangen werden muss. Nur durch diese Kontextualisierung kann sinnvoll und in die Tiefe gehend mit Metadaten filmhistorisch gearbeitet werden.
3.2.4. Literatur#
Anna Bohn. Film-Metadaten. Standards der Erschließung von Filmen mit RDA und FRBR im internationalen Vergleich und Perspektiven des Datenaustauschs. masterThesis, Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin, June 2018. Accepted: 2018-06-11T07:05:45Z. URL: https://edoc.hu-berlin.de/handle/18452/19973, doi:10.18452/19220.
Anna Bohn and Daniela Tamm. Filmwerke in die GND! In Torsten Musial and Yves A. Pillep, editors, Neue Wege der Erschließung. Referate des 5. Berliner Archivtags 23. November 2022, 47–68. Fulda, 2023. URL: https://www.berlinerarchive.de/5-berliner-archivtag-2022/.
Sarah-Mai Dang and Pauline Junginger. »Regie«, »Animation«, »Bauten«. Zur Bedeutung von heterogenen Metadaten für die Filmforschung am Beispiel von Lotte Reiniger. Frauen und Film, pages 141–152, 2024.
Johanna Drucker. The Digital Humanities Coursebook: An Introduction to Digital Methods for Research and Scholarship. Routledge, Abingdon, Oxon, 2021. ISBN 978-1-003-10653-1.
Kerstin Herlt and Julia Welter. Critically Curating Data in Cultural Heritage Collections, pages 201–220. De Gruyter, 2025. URL: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783111082486-010/html, doi:10.1515/9783111082486-010.
Pauline Junginger and Marian Dörk. Categorizing Queer Identities: An Analysis of Archival Practices Using the Concept of Boundary Objects. Journal of Feminist Scholarship, 19(19):66–79, 2021. doi:10.23860/jfs.2021.19.05.
Alexandra Schneider and Yvonne Zimmermann. Data Cleaning and Diversity in Digital Film Historiography, pages 185–200. De Gruyter, 2025. URL: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783111082486-009/html, doi:10.1515/9783111082486-009.
Mirjam Sprau, Anna Bohn, Simon Göllner, Chantal Franziska Köppl, and Stephanie Marra. Die GND im Archiv. Handreichung zur Nutzung von Normdaten. Friedrich Ebert Stiftung, Berlin; Bonn; Frankfurt am Main, version 1.0 edition, 2025. URL: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bo133-2-37.