2.2. Weiterführende Informationen#
2.2.1. Was ist Filmanalyse?#
Die Filmanalyse ist – neben der Filmtheorie und der Filmgeschichte – eine der drei Säulen der Filmwissenschaft als akademische Disziplin, die sich unter Berücksichtigung methodischer Ansätze mit der Gestaltung von Filmen, ihrer Struktur und ihrer Rezeption auseinandersetzt. Gleichzeitig ist die Filmanalyse ein Werkzeug zur systematischen Erfassung von Informationen, Eindrücken, Intensitäten sowie Wahrnehmungsanordnungen von Filmen.
Wie verstehen wir Filmanalyse?
Wir verstehen Film als Medium, das sich in der Zeit entfaltet. Dabei ist die Zuschauendenempfindung nicht zu trennen von Inszenierungsdynamiken und der Zirkulation von Affekten, die Filme immer in Relation zu ihrem Publikum herstellen. Die Filmanalyse kann dabei als Schnittstelle zwischen der Zuschauendenerfahrung und den filmischen Gegenständen beschrieben werden. Was wir wahrnehmen und fühlen, setzt sich aus dem Zusammenspiel von Intensitäten zusammen, die sich über die Zeit und den Raum gestalten: “Atmosphären entfalten sich, Gedanken kommen plötzlich, Gefühle schleichen sich ein… Film und andere audiovisuelle Medien sind in der Lage dies nicht nur in Bildern und Tönen auszudrücken, sondern auch als Erleben für den Zuschauer zu gestalten” [Ber07]
2.2.2. Warum digitale Methoden? Was gibt es für Tools?
Digitale Methoden ermöglichen eine empirisch fundierte Auseinandersetzung mit Bewegtbildern. Insofern kann die Schnittstelle zwischen Medien und Zuschauenden durch digitale Methoden systematisiert werden. Die Erstellung von Metadaten hilft dabei, größere Sinnzusammenhänge und Dynamiken lesbar zu machen. Ebenso können Daten durch ihre Zirkulation in Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Akteur:innen eingebunden werden. Im Fokus unserer Herangehensweisen steht die Methodik der Videoannotation. Die Videoannotation im Speziellen zielt hierbei darauf ab, die zeitliche Erscheinungsweise (timeline based video analysis) von Filmen in Form auswertbarer Daten erfahrbar sowie zugänglich zu machen.
Von den Gedächtnisprotokollen der frühen Filmwissenschaft und Notizen im Dunkel des Kinosaals über Detailstudien am Schneidetisch bis hin zu Möglichkeiten der automatischen Schnitterkennung und -visualisierung am heimischen Laptop lässt sich eine Veränderung filmwissenschaftlicher Werkzeuge nachzeichnen. Unter Videoannotation ist dabei die zeitbezogene Ergänzung von audiovisuellen Medieninhalten um Metadaten zu verstehen [dA21].
Durch digitale Herangehensweisen können Systematiken für filmanalytische Konzepte entwickelt und diese in den Kontext bestehender Semantic Web Prinzipien eingegliedert werden. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie eine systematische Formulierung datenspezifischer sowie webbasierter Formate in eine filmanalytische Ontologie transformiert werden kann. Ontologie in diesem Kontext verstehen wir als ein Ordnungsprinzip, durch welches Informationseinheiten miteinander verknüpft werden können. Semantic Web basierte Ontologien können als Technologien beschrieben werden, die Metadaten sowohl maschinenlesbar als auch repräsentationsfähig machen.
Was versteht man unter Semantic Web und einer Ontologie?#

Fig. 2.1 Abstrakte Visualisierung von verknüpftem Wissen im Semantic Web (KI-generiert)#
Einfach erklärt: Das Semantic Web, auch Web 3.0 genannt, erweitert das klassische Web, indem es Informationen so aufbereitet, dass sie nicht nur für Menschen, sondern auch für Maschinen lesbar sind. Ziel ist es, Daten strukturierter und miteinander verknüpft bereitzustellen, um eine automatisierte, kontextbezogene Verarbeitung und eine gezielte Verknüpfung verschiedener Datenquellen zu ermöglichen. Mehr Informationen zum Semantic Web finden Sie auch in unserer QUADRIGA-Fallstudie: ”Erfragen von Metadaten: Ein Fallbeispiel aus dem Europäischen und Deutschen Metadatenportal” [PSS+25].
Eine Ontologie nach Semantic Web Standards ist ein semantisches Modell, das Wissen struktuiert. Sie beschreibt und ordnet Begriffe und Beziehungen zueinander, um das formulierte Wissen maschinenlesbar zu machen. Spezifische Sprachen, wie z.B. RDF, OWL oder XSD, ermöglichen Standards für die Formulierung von Ontologien. Mehr Infos hierzu können Sie in dem Kapitel Einarbeiten in die Filmontologie nachlesen.
Welche Tools gibt es für die digitale Annotation von Film- und Videomaterial?#
Diese strukturierte Aufbereitung von Wissen durch Ontologien wird besonders relevant, wenn es um die praktische Anwendung in der Filmanalyse geht. Denn um filmanalytische Konzepte in maschinenlesbare Formate zu überführen, müssen zunächst die audiovisuellen Gestaltungsweisen selbst systematisch erfasst und beschrieben werden. Hier kommen digitale Annotationstools ins Spiel: Sie ermöglichen es, filmische Elemente wie Einstellungsgrößen, Kamerabewegungen, Schnittrhythmen oder narrative Strukturen präzise zu markieren und zu kategorisieren. Diese Annotationen bilden dann die Grundlage für die ontologische Strukturierung – sie liefern die konkreten Daten, die später in semantische Zusammenhänge eingebettet werden können.

Fig. 2.2 Abstrakte Visualisierung einer Annotationsoberflächer mit Timeline#
Es gibt verschiedene Tools, mit denen audiovisuelle Gegenstände (z.B. Videoclips oder Filmszenen) annotiert werden können. Zu den gängigsten zählen: Advene, ELAN, Distant Viewing, Anvil oder zum Beispiel die in der Entwicklungsphase stehende Software TIB AV-Analytics.
Es gibt sowohl browserbasierte Anwendungstools als auch Software, die offline verwendet werden kann.
2.2.2. Welche Systematisierungsansätze, Methoden und Werkzeuge gibt es bereits?#
Im Bereich der Filmanalyse existieren bereits eine Vielzahl von Ansätzen und Methoden, um einerseits das Vokabular und andererseits ebenso die Techniken zu systematisieren und zu strukturieren. Eine einheitliche Systematisierung gibt es dabei nicht. Durch Ansätze verschiedener Akteur:innen, Institutionen und deren Arbeiten gibt es jedoch Zugänge zu unterschiedlichen Glossaren, Nachschlagewerken sowie Verfahren, in denen Begriffe, Definitionen und Funktionsweisen filmanalytischer Termini erläutert, zusammengefasst sowie öffentlich zugänglich gemacht werden. Um sich eine Übersicht zu verschaffen, wird hier eine kleine Auswahl bereitgestellt. Diese Informationen bilden den Grundstein für ein Basisverständnis filmanalytischer Arbeit.
Glossare & Nachschlagewerke (z.B. für Grundbegriffe)
Universität Wien: https://filmanalyse.at
Netzwerk Cinema: https://www.netzwerk-cinema.ch/uploads/files/Glossaire_reaseau_cinema_ch.pdf”
Universität Kiel: https://filmlexikon.uni-kiel.de/
Kinofenster: https://www.kinofenster.de/lehrmaterial/glossar/
Weiterführende Literatur
Volker Pantenburg and Malte Hagener. Handbuch Filmanalyse. Springer, Wiesbaden, 2020. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13339-9 [PH20].
Benjamin Beil, Jürgen Kühnel, and Christian Neuhaus. Studienhandbuch Filmanalyse. Ästhetik und Dramaturgie des Spielfilms. Wilhelm Fink, Paderborn, 2016. ISBN 9783825286668 [BKN16].
David Bordwell and Kristin Thompson. Film Art. An Introduction. McGraw Hill, Boston, 2008. ISBN 1259534952 [BT08].
John Hill. The Oxford Guide to Film Studies. Oxford University Press, Oxford, 1998. ISBN 9780198711247 [Hil98].
Im nächsten Kapitel stellen wir eine im Rahmen filmwissenschaftlicher Forschung entwickelte Methode qualitativer Empirie vor.
2.2.3. Literatur#
Benjamin Beil, Jürgen Kühnel, and Christian Neuhaus. Studienhandbuch Filmanalyse. Ästhetik und Dramaturgie des Spielfilms. Wilhelm Fink, Paderborn, 2016. ISBN 9783825286668.
Freie Universität Berlin. Empirische Medienästhetik. https://www.empirische-medienaesthetik.fu-berlin.de/index.html, 2007. Accessed: 2025-03-04.
David Bordwell and Kristin Thompson. Film Art. An Introduction. McGraw Hill, Boston, 2008. ISBN 1259534952.
Affektrhetoriken des Audiovisuellen. Videoannotation – Methoden der präzisen Bezugnahme auf audiovisuelles Bewegtbild. https://www.empirische-medienaesthetik.fu-berlin.de/index.html, 2016-2021. Accessed: 2025-03-12.
John Hill. The Oxford Guide to Film Studies. Oxford University Press, Oxford, 1998. ISBN 9780198711247.
Volker Pantenburg and Malte Hagener. Handbuch Filmanalyse. Springer, Wiesbaden, 2020. doi:https://doi.org/10.1007/978-3-658-13339-9.
Jana Plomin, Juliane Schmeling, Anton Schulze, Paul Walter, and Philip Wiemer. Fallstudie II - Erfragen von Metadaten: Ein Fallbeispiel aus dem Europäischen und Deutschen Metadatenportal. QUADRIGA, 2025. URL: https://quadriga-dk.github.io/Tabelle-Fallstudie-2/Titelseite.html.